Sevilla die Stadt der Dualitäten
Sevilla - Die Stadt der Dualitäten
Kürzlich gewann der Fußballclub Sevilla FC zum 6. Mal in einem Europacup Finale das Endspiel.
Und alle schauten für einen Augenblick auf Sevilla!
Endlich - nach Monaten des Lockdown, war die Stadt wieder in aller Munde und nährte, so hoffentlich, die Reiselust.
Für mich war diese Tatsache ein Anlass, einmal über eine Dualität in Sevilla zu sprechen, die auch weit über den Fußball hinausreicht. Doch zunächst bleiben wir bei letzterem:
In der andalusischen Hauptstadt konkurrieren zwei der ältesten Fußballclubs Spaniens, der 1905 aus der Taufe gehobene Sevilla FC mit den Vereinsfarben rot-weiß und dem knapp zwei Jahre später 1907 gegründeten Klub Real Betis Balompié um die Vorherrschaft. Dabei handelt es sich um eine Rivalität, die vor allem in dem unter dem Namen Derbi sevillano bekannten Aufeinandertreffen deutlich wird. Dies manifestiert sich durch eine erbitterte Abneigung der Anhänger (Betis hat ca. 50.000 Mitglieder mit einem Jahresabo während der Sevilla FC auf knapp 40.000 Abonnenten kommt) gegenüber dem jeweils anderen Club.
Während die Fans von Real Betis mehrheitlich der Arbeiterklasse angehörig angesehen werden und ihr weit über 60.000 Zuschauerplätze umfassendes Stadium sich in der Vorstadt Heliopolis befindet, stammt der Sevilla FC mit seinem knapp 44.000 Zuschauerplätzen bestehenden Estadio Ramon Sanchez-Pizjuna und seine Anhänger aus dem gehobeneren Stadtviertel Nervion.
Trotz allem reden wir hier von einer gesunden Rivalität, die mit viel Humor getragen wird und in Sevilla allgegenwärtig ist und eine Vielzahl von Anekdoten hervorgebracht hat.
So bringt man gerne den Fußballclub Betis mit den Bruderschaften der Semana Santa in Verbindung; insbesondere mit der Virgen de la Esperanza de Triana, der Jungfrau Maria, die Karfreitagnacht in einer Prozession aus Triana getragen wird; dem Stadtviertel auf der anderen Seite des Rio Betis, wie die Römer ihn nannten, in dem vorwiegend Matrosen und Zigeuner wohnten.
Dem gegenüber steht die Virgen de la Esperanza Macarena, die in der historischen Altstadt Sevillas und gleichnamigen Bruderschaft de la Macarena von rund 14.000 Mitgliedern verehrt wird. Damit steht die Institution nach den beiden Fußballclubs an 3. Stelle unter dem Gesichtspunkt: Womit identifiziert sich die Zivilgesellschaft Sevillas am ehesten - egal ob sozial, kulturell, sportlich oder religiös.
Beide Bruderschaften mit ihren auf Tragealtären verehrten Mutter Gottes, wetteifern um ihre Schönheit und Wunder, die sie vollbringen.
Und bleiben wir bei der Jungfrau Maria de la Macarena, die sich wiederum durch ein besonders Detail von den anderen Marienfiguren der Stadt abhebt, nämlich ihren einzigartigen Schmuck. Dabei handelt es sich um 5 Broschen, die sich aus Blütenblättern aus Smaragden formen und 1913 von einem damals berühmten Stierkämpfer, Joselito el Gallo genannt, gestiftet wurden. Offensichtlich wird hier eine Devotion, die bis in die Welt des Stierkampfs reicht.
Genauer gesagt bis in die „Goldenen Epoche“ des Stierkampfs zwischen 1914-1920, die durch eine Rivalität zweier Toreros gekennzeichnet war,- eben jenem Joselito el Gallo und Juan Belmonte aus Triana. Letzterer gilt als einer der berühmtesten Stierkämpfer. Man sagt ihm nach, dass er den „modernen“ Stierkampf einführte; das heißt, in aufrechter Haltung, fast regungslos und gefährlich nah am Stier. Erwähnenswert sicherlich die Tatsache, dass er die Titelseite des Time Magazine von 1925 zierte!
Ihm gegenüber stand sein ewiger Rivale Joselito el Gallo, der bereits mit 17 Jahren der damals jüngste Matador de Toros war. Leider wurde er auch nicht alt: Joselito el Gallo stirbt bereits mit 25 Jahren während einer Corrida 1920 durch einen Stier. Dieser tragische Umstand und seine dominante Art, wie er den Stier beherrschte, führten zu vielen Anekdoten; unter anderem erwähnt ihn Ernest Hemingway in seinem Buch „Tod am Nachmittag“ als besten Stierkämpfer aller Zeiten.
Gekennzeichnet von ewiger Rivalität sterben schließlich beide auf dramatische Weise: der eine in der Arena, der andere (Belmonte) wählt seinen Tod und begeht Selbstmord mit einer „Luger“.
Heute gedenkt man noch beiden Toreros auf der jeweiligen Flussseite: In der Bruderschaft de la Macarena im Zentrum, wo Joselito einst ein einflussreiches devotes Mitglied war. Sowie in Triana, wo eine Statue Belmontes, so ausgerichtet ist, dass sie über den Fluss auf eine der ältesten und berühmtesten Stierkampfarenen Spaniens blickt: Seinen "Arbeitsplatz" La Plaza de Toros La Maestranza.
So nah sich Triana und Sevilla geografisch sind, nur durch den Guadalquivir getrennt, sind sie doch ebenso verschieden - beide versprühen ihr eigenes Flair. Wir Einheimischen wissen diese Vielfalt zu schätzen. Meinen Gästen hoffe ich mit diesem Blog Eintrag eine weitere Anregung gegeben zu haben, Sevilla mit mir zu besichtigen.