Die Bedeutung der Säulen des Herkules in Sevilla

Als Säulen des Herkules bezeichnete man im Altertum die beiden das westliche Mittelmeer begrenzenden Vorgebirge, die die Straße von Gibraltar einfassen: Der Felsen von Gibraltar, lateinisch Calpe genannt und ihm gegenüber der heutige Berg Djebl Musa beim spanischen Ceuta in Nordafrika.

Nach antikem Glauben soll die Meerenge von Gibraltar das Ende der Welt gewesen sein, nachdem dort Herkules auf dem Weg zu seiner 10. Tat, nämlich die Schafe des Geryon zu stehlen, je eine auf dem europäischen Festland und eine auf dem afrikanischen Kontinent aufgestellt hatte und damit die Grenzen der bis dahin bekannten Welt markierte. Einer anderen Legende zufolge stützte der Titan Atlas (griechisch “Träger”) das Himmelsgewölbe am westlichsten Punkt. Ihm zu Ehren, heißt es, wurde das jenseits gelegene mare incognita später nach der Entdeckung Amerikas zum atlantische Ozean getauft. Oder ist die Namensgebung des zweitgrößten Meers doch eher zurückzuführen auf den Philosophen Platon (428/427 bis 348/347 v. Chr.), der die Säulen des Herkules erstmals in Zusammenhang mit dem mythischen Inselreich Atlantis erwähnt, das er jenseits jener Säulen vermutete?

Wie auch immer, fest steht, dass der Reichtum an Kupfer, Zinn, Eisen, Gold und Silber der Iberischen Halbinsel Völker wie Phönizier, Karthager und Römer anlockte, die über den großen Fluss, - Guadalquivir genannt, nach Sevilla gelangten und die Stadt so bedeutend werden ließ.

Über einem der nicht mehr existierenden Eingangstore der im 19. Jh. abgerissenen Stadtmauer, soll eine lateinische Inschrift, sehr frei übersetzt, gelautet haben:

“Hercules gründete mich,

Julius Cäsar umgab mich mit Türmen und Mauern,

Und der Heilige König eroberte mich…”

Wie viele mediterrane Städte, beruft sich auch Sevilla gerne in seiner Gründungsgeschichte auf ein und denselben der obersten Götter des Altertums Baal, Melkart oder Herkules.

Das lässt sich wunderschön an der Renaissance Schaufassade des Rathauses aufzeigen, welches anlässlich der Hochzeit Karls V mit Isabel von Portugal in Sevilla 1526 errichtet wurde. Innerhalb der für den plateresken Stil typischen Dekoration in Form von Medaillons, Girlanden und Grotesken, finden sich wiederholt Figuren von Herkules, dem Gründer und Julius Cäsar, dem Erbauer der Stadt.

Daneben sieht man aber auch das spanisch-habsburgische Kaiserwappen in Zusammenhang mit der lateinischen Devise Plus Ultra, was bedeutet, dass nach der Entdeckung Amerikas 1492 durch Christoph Kolumbus, die Welt nicht nach Europa und Afrika aufhörte. Mit seinem Wahlspruch wollte Kaiser Karl V die Weltumsegler zu neuen Entdeckungen auffordern. Immerhin wurde unter seiner Herrschaft Spanien zum Weltreich.

Von beeindruckender symbolischer Bedeutung sind darüber hinaus die 9 Meter hohen Säulen in 4,50 Meter Tiefe in situ in der calle Marmoles (eben nicht aus Marmor, sondern aus ägyptischen Granit, wie die Säulen des Pantheons in Rom). Sie stammen von einem öffentlichen Gebäude, vermutlich eines Tempels aus hadrianischer Zeit. 1574 wurden 2 dieser Granitsäulen zwecks einer städtebaulichen Platzgestaltung auf die Alameda de Hercules versetzt, mit korinthischen Kapitellen versehen und mit den Figuren von Herkules und Cäsar triumphierend bekrönt.

Wo immer man in Sevilla spazieren geht, trifft man auf die zwei Säulen des Herkules, wie z.B. in den Murillogärten, wo sie von einer der drei Karavellen, mit der Christoph Kolumbus von Sevilla raus aufs offene Meer segelt und dabei zufällig Amerika entdeckt, zusammengehalten werden.

Schließlich ist fast jedem die Nationalflagge Spaniens mit den dominierenden Farben rot-gelb-rot geläufig. Nur wenigen fällt hingegen auf, dass im mittleren gelben Streifen die Säulen des Herkules den Wappenschild in Funktion eines Schildhalters umrahmen.